französische Kolonien

französische Kolonien
französische Kolonien,
 
das französische Kolonialreich, das zwischen den beiden Weltkriegen seine größte Ausdehnung erreichte (12,154 Mio. km2 mit rund 35,273 Mio. Einwohnern in Afrika; 861 000 km2 mit rund 21,05 Mio. Einwohnern in Asien; 91 248 km2 mit rund 522 000 Einwohner in Amerika und 22 449 km2 mit rund 80 000 Einwohnern im Pazifik) und nach dem Zweiten Weltkrieg bis auf einige kleine Gebiete im Zuge der Entkolonialisierung aufgelöst wurde. Es geht im Wesentlichen auf zwei französische Expansionswellen im 17. und 19. Jahrhundert zurück. Nach ersten Ansätzen im 16. Jahrhundert wurde J.-B. Colbert zum eigentlichen Begründer der französischen Kolonialmacht. 1682 besaß Frankreich die Insel Réunion, das Küstengebiet von Senegal, Cayenne, eine östliche Gruppe der Antillen mit Guadeloupe und Martinique, den westlichen Teil von Haiti, das Mississippibecken (1682 Louisiane benannt), Neufundland und Akadien (entlang dem Sankt-Lorenz-Strom). Die französische Ostindische Kompanie hatte erste Stützpunkte in Indien gewonnen (Französisch-Indien), scheiterte aber Mitte des 18. Jahrhunderts bei dem Versuch, gegen die konkurrierenden Briten ihren Einflussbereich in Indien auszudehnen. Im Spanischen Erbfolgekrieg, bestätigt durch den Frieden von Utrecht 1713, verlor Frankreich das Gebiet an der Hudsonbai, den größten Teil von Akadien und Neufundland, im Siebenjährigen Krieg (Friede von Paris 1763) das restliche Akadien und Louisiane. Frankreich besaß beim Sturz Napoleons I. nur noch die Inseln Saint-Pierre und Miquelon bei Neufundland, Martinique, Guadeloupe, ferner Cayenne, Senegal, Réunion und fünf Kontore in Indien. 1830 begann mit der Eroberung von Algier eine neue Phase der französischen Kolonialexpansion. 1830-48 drangen die Franzosen in das Hinterland der Elfenbeinküste vor, erweiterten ihren Einflussbereich in Gabun und sicherten sich Stützpunkte auf den Komoren, auf Tahiti und den Marquesasinseln (Französisch-Polynesien). In den 1850er- und 1860er-Jahren wurden Plätze in Somaliland und Neukaledonien erworben. Mit der Eroberung von Cochinchina 1858-62 und dem Protektorat über Kambodscha wurde die Grundlage für die französische Herrschaft über Indochina gelegt. Im Zuge der imperialistischen Expansion der europäischen Großmächte erwarb die Dritte Republik seit den 1870er-Jahren ein riesiges überseeisches Reich in Form von Kolonien, Protektoraten und Militärterritorien: Tunis 1881, Annam 1883/84, Tongking 1885, Madagaskar 1885-97, Laos 1886, Französisch-Westafrika 1887-1909, Französisch-Äquatorialafrika 1880-1914, Marokko 1912.
 
Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt Frankreich die größeren Teile der deutschen Kolonien Togo und Kamerun sowie aus dem Gebietsbestand des sich auflösenden Osman. Reiches das Völkerbundsmandat über Syrien und Libanon. Die siegreichen nationalen Emanzipationsbestrebungen im Gefolge des Zweiten Weltkrieges führten praktisch zur vollständigen Auflösung des französischen Empire. Die französische Niederlage im Indochinakrieg (1946-54; Dien Bien Phu) und der Algerienkrieg (1954-62) beschleunigten die Desintegration der Französischen Union Ende der 1950er-Jahre und ihre partielle Umwandlung in die lockere Französische Gemeinschaft. Von dem früheren französischen Kolonialreich zählen heute noch folgende Gebiete zur Französischen Republik: Französisch-Guayana, Guadeloupe, Martinique, Réunion und Saint-Pierre-et-Miquelon als Überseedépartements, die als Teil des Mutterlandes gelten, ferner Französisch-Polynesien, Neukaledonien, Wallis und Futuna und die Terres Australes et Antarctiques Françaises als Überseeterritorien mit beschränkter Selbstverwaltung sowie mit besonderem Status (»collectivité territoriale«) die Komoreninsel Mayotte.
 
 
J. J. Cooke: New French imperialism 1880-1910. The Third republic and colonial expansion (Newton Abbot 1973);
 W. Baumgart: Der Imperialismus. Idee u. Wirklichkeit der engl. u. frz. Kolonialexpansion 1880-1914 (1975);
 R. von Albertini: Europ. Kolonialherrschaft. 1880-1940 (Zürich 21985);
 G. Fuchs u. H. Henseke: Das frz. Kolonialreich (Berlin-Ost 1987);
 F. von Krosigk u. P. Jadin: Die frz. Überseegebiete (1994).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
britisch-französisches Ringen um die Vorherrschaft in der Welt (1700 bis 1815): Eine Insel auf dem Weg zur Weltmacht
 
französische Kolonien: Das erste französische Kolonialreich
 
Imperialismus: Kulturelle Mission oder Platz an der Sonne
 
Kolonialismus: Die großen Kolonialreiche
 
Entkolonialisierung: Das Ende der Kolonialherrschaft und die Bewegung der Blockfreien
 

Universal-Lexikon. 2012.

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